Staffel 01 - Teil 19: MATHA HOLT AUS

Matha sitzt am Frühstückstisch und studiert Unterlagen für die Präsentation am Abend. Marion setzt sich zu ihr, sie sieht etwas schwach aus.

„Du siehst blass aus. Bist du sicher, daß du dich nicht etwas mehr schonen solltest?“

„Nein, ist schon okay. Mir geht es ganz gut.“ lügt Marion und trinkt ihren Orangensaft, was Matha genau beobachtet. Man kann erahnen, daß sie wieder etwas von dem Mittel hinein getan hat.

„Na gut. Du bist alt genug, aber wenn es nicht geht, dann sag Bescheid. Ich bin für dich da...das weißt du doch hoffentlich?“ lächelt Matha.

„Natürlich. Danke dir.“

Frank kommt ins Zimmer und strahlt.

„Was bist du denn so gut gelaunt?“ fragt Matha.

„Ich habe gerade die Zusage für ein neues Fabrikgelände bekommen. Es ist einfach fantastisch gelegen und bietet genug Raum für Expansionen.“

„Das ist ja wundervoll.“ freut sich Marion und küsst ihn.

„Ja, zweifellos.“ erwidert Matha und spielt ebenfalls Freude.

Jörg ist zu Mike ins Zimmer gegangen. Er sieht übernächtigt aus.

„Du konntest wohl nicht so gut schlafen?“

„Nein. Ich hab kaum ein Auge zu gemacht.“

„Hast du dich denn entschieden, was du tun willst?“

Mike nimmt den Brief von Gerda in die Hand.

„Ja, das habe ich.“ Er zerreißt ihn. Jörg seufzt und legt seinem kleinen Bruder eine Hand auf die Schulter.

Ned ist mit Matha, Jörg, Marion und Frank zur Firma gefahren. Dort teilen sie sich auf, nur Frank kommt zu ihm zurück und bittet ihn um ein Gespräch. Sie setzen sich in die Kantine und Frank druckst etwas herum.

„Was ist denn los? Angst vor dem heutigen Abend?“

„Ja...nein..nicht direkt wegen heute. Eher wegen morgen.“

„Wenn du heute überstehst, wird das morgen auch klappen. Mach dir nicht zu viele Gedanken.“

„Aber morgen ist es ein richtiger Ball, verstehst du?“

Ned überlegt und dann wird ihm klar, was Frank fürchtet. „Du hast nicht tanzen gelernt, ist es das?“

Frank nickt verlegen.

Ned lacht kurz auf. „Aber das muss dir doch nicht peinlich sein.“

„Das sagst du. In euren Kreisen ist das doch eine Pflichtsache. Bei uns ist man froh, wenn man sich zur Musik bewegen kann ohne jemanden zu verletzen.“

„Ich kann deine Sorge verstehen, aber jetzt wird es natürlich nicht leicht dir da noch mal eben etwas bei zu bringen.“

„Das habe ich befürchtet.“

„Na na. Nicht gleich aufgeben. Ich denke ich hab da schon eine Idee.“

Marion verabschiedet einen Kunden und kann sich gerade noch am Türrahmen festhalten. Gertrud kommt sofort zu ihr und bringt sie ins Büro. Matha betritt gerade den Vorraum und beobachtet die Beiden durch die Tür.

„Soll ich nicht lieber einen Arzt rufen?“

„Gertrud. Das ist lieb, aber ich bin schwanger und nicht krank.“

„Hast du diese Attacken denn öfter?“

„In den letzten Tagen etwas mehr.“

„Hm. Wenn es noch schlimmer wird, solltest du vielleicht doch mal mit deiner Frauenärztin reden.“

„Wenn der Ball morgen gelaufen ist, werde ich mich sowieso etwas zur Ruhe setzen.“

„Und wer wird dann hier die Geschäfte managen?“

Marion lächelt sie an. „Na, wer schon?“

Matha grinst zufrieden und wendet sich ab.

Jörg sitzt in seinem Büro und wirkt etwas weggetreten, als Ned hereinkommt.

„Alles klar? Du wirkst so nachdenklich.“

„Ja, es ist wegen Mike. Mutter hat ihm geschrieben. Sie wollte sich mit ihm treffen.“

„Und? Wird er es tun?“

„Nein. Er hat den Brief weggeworfen. So wie es aussieht, hat er wohl auch mit ihr abgeschlossen.“

„Und du denkst, es war falsch.“

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Ich meine, sie ist immer noch unsere Mutter, egal was geschehen ist. Irgendwie kann ich sie auch verstehen. Wenn sie nicht so verdammt stur wäre, dann könnten wir sogar wieder eine richtige Familie sein. Sie hat sich immer so sehr gewünscht Enkelkinder zu haben und jetzt, wo eines unterwegs ist, könnte die Kluft zwischen uns nicht größer sein.“

„Hast du Mike gesagt, was du empfindest?“

„Ihn auch noch damit belasten? Nein. Er soll aus freien Stücken entscheiden und nicht, weil ich denke, daß er vielleicht das letzte Bindeglied ist, was zwischen uns vermitteln könnte.“

Marion kommt ins Büro und fragt, ob jemand Frank gesehen hat. Ned meint, er müsse noch eine Kleinigkeit erledigen.

Frank sitzt in einem Flur vor einer Glastür, die sich plötzlich öffnet. Eine streng gekleidete Dame tritt heraus und läßt ihn etwas ängstlich schauen, dann lächelt sie warm und bittet ihn hinein. Auf der Tür, die sich hinter ihnen schließt steht >M.Pronakova, Dance Academy<.

Mike kommt aus dem Schulgebäude und zieht einen Fetzen Papier aus seiner Tasche. Es ist ein Stück des Briefes seiner Mutter auf der eine Adresse vermerkt ist. Seufzend sieht er drauf, steckt ihn dann wieder ein und macht sich zielstrebig auf den Weg.

Matha bringt Marion ihre neusten Entwürfe. Marion versucht sich zu konzentrieren, doch es schwimmen ihr die Bilder vor den Augen.

„Marion. Ich mache mir langsam wirklich Sorgen. Wieso gehst du nicht nach hause und ruhst dich etwas aus. Der Abend wird noch anstrengend genug.“

„Vielleicht hast du recht. Ich werde Ned bitten mich heim zu fahren. Aber ich muss eigentlich...“

„Mach dir keine Gedanken. Ich kümmere mich um alles. Ehrlich.“

„Ich danke dir.“

Marion verlässt das Büro und Matha lässt sich auf den Chefsessel fallen, dreht sich zur Glasfront und schaut zufrieden hinaus.

Frank stürmt, etwas später, ins Büro und erkennt sofort, daß Matha vor ihm sitzt, die geschäftig schreibt.

„Wo ist Marion?“

„Ich habe sie nach hause geschickt. Es ging ihr nicht so gut. Du solltest etwas besser auf sie acht geben. Sie mutet sich einfach zu viel zu.“

„Ich passe schon gut genug auf sie auf.“

„So? Wieso ist sie hier dann fast zusammengeklappt? Ganz ehrlich, Frank. Du kennst sie noch nicht so gut wie ich. Man muss ihr ab und zu sagen, was sie tun soll, sonst übernimmt sie sich. Sie will manchmal einfach zu viel erreichen ohne auf sich zu achten. Deswegen müssen wir sie bremsen, bevor es zu spät ist.“

„Du machst dir wirklich Sorgen um sie, oder?“

„Ich bitte dich. Natürlich mach ich mir Sorgen. Sie ist meine Schwester. Wir haben vielleicht oftmals kleine Differenzen, aber ich will doch nicht, daß ihr etwas geschieht.“

Frank nickt und geht. Matha lächelt ihm diabolisch hinter her.

Marion möchte etwas im Park spazieren gehen, als sie zuhause ankommen. Ned will sie begleiten. Das ist ihr nur recht, denn sie wollte eh etwas mit ihm besprechen.

Mike ist an der Adresse angekommen, die im Brief stand und die Gegend gefällt ihm nicht. Er schaut auf den Klingelknopf und will gerade drücken, doch dann verlässt ihn der Mut und er verschwindet wieder. Aus einem Fenster hat ihn Gerda beobachtet, die dann den Vorhang zurückfallen lässt.

Bei dem Spaziergang scheint es Marion schon besser zu gehen. Sie setzen sich an den See und Ned schaut sie an, was sie etwas befremdlich findet.

„Tut mir leid, aber es scheint mir alles so irreal zu sein. Ich kenne euch schon so lange und plötzlich steht ihr auf eigenen Füssen. Du bist verheiratet, erwartest ein Kind...Es ist so viel passiert in den vergangenen Monaten.“

„Ich weiß, was du meinst. Mir geht es ebenso. Und es vergeht kein Tag an dem ich nicht an Mama und Papa denken muss.“

„Das ist doch ganz natürlich.“

„Manchmal frage ich mich, ob es nicht doch besser wäre alles hinter mir zu lassen und irgendwo neu anzufangen mit Frank und dem Baby. Aber dann denke ich wieder an sie und an das, was Papa aufgebaut hat. Wie könnte ich da weggehen?“

„Richtig. Außerdem braucht deine Schwester dich auch noch sehr, auch wenn sie es nicht gern zugeben würde.“

Marion lächelt. „Da hast du wohl recht.“ Sie schaut Richtung Haus und sieht Frank auf dem Weg.

„Da seid ihr ja.“ sagt er etwas atemlos, als er sie erreicht. „Wie geht es dir? Matha hat mir gesagt, daß es dir nicht so gut geht.“

„Schon wieder besser. Und wo warst du?“

Ned sieht ihn grinsend an.

„Nichts aufregendes.“

„Wegen dem Fabrikgelände?“

„Was? Ja ja.. genau.“ Frank zwinkert Ned zu.

Jörg kommt heim und erfährt, daß Mike noch nicht zuhause ist. Sofort gerät er etwas in Panik, doch da öffnet sich die Tür und Mike tritt ein. Er stürmt an ihm vorbei, die Treppen hinauf und in sein Zimmer. Kurz darauf klopft es und Jörg kommt herein.

„Was ist passiert?“

„Ach nichts.“ brummt Mike und wirft seine Jacke über den Stuhl, wobei der Zettel herausfällt, den Jörg sofort aufhebt.

„Was hat sie dir gesagt?“

„Gar nichts. Ich...ich konnte einfach nicht mit ihr reden.“

Jörg setzt sich zu ihm aufs Bett.

„Wieso bist du dann hingefahren?“

„Weil ich es versuchen wollte. Ich dachte ich würde es hin kriegen, aber...“

„Mike. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn du Kontakt zu ihr willst. Oder wenn du die Sache klären möchtest, die dich so beschäftigt.“

Mike sieht ihn mit Tränen in den Augen an.

„Wieso kann ich dann nicht bei ihr klingeln? Wieso schaffe ich es nicht ihr in die Augen zu sehen?“

Er wirft sich seinem Bruder weinend an die Brust und Jörg nimmt ihn in den Arm.

Die ersten Gäste treffen ein und Marion, Matha und Frank begrüßen sie in aller Form. Einige sind schon sehr gespannt auf die neue Kollektion. Besonders Matha spielt sich sehr in den Vordergrund, was Marion und die anderen mit leichtem Augenrollen zu ignorieren versuchen. Doch während des Abends führt Matha sich immer mehr als alleinige Geschäftsführerin auf. Dann kommt es zur Präsentation der Kollektion: auf einer großen Leinwand werden die Skizzen, die Näharbeiten und dann das fertige Produkt auf Puppen gezeigt. Matha gibt dazu wortgewandt die Kommentare dazu.

Dabei wirkt es so, als wäre sie allein für alles verantwortlich, auch für die Findung der neuen Fabrik.

Das reicht Marion und sie übernimmt plötzlich das Wort.
„Ich möchte ihnen dazu noch mitteilen, daß mein Mann Frank in erster Linie für die Erweiterung der Fabrikation verantwortlich ist. In guter Zusammenarbeit mit unserem Finanzberater Jörg Kabbin konnten wir so einen neuen Weg einschlagen. Meine Schwester Matha ist für viele der neuen Designs zuständig, so daß wir in Gemeinschaftsarbeit dieses hervorragende Ergebnis erzielen konnten, welches sie gerade schon ansatzweise sehen konnten. Wie es bei >Korth Moden< Tradition ist, werden wir morgen Abend bei unserem Ball einige der Stücke live vorführen, wozu sie natürlich herzlich eingeladen sind.“

„Welche Rolle spielt ihr Mann eigentlich in der Firma? Fragt ein Reporter. „Wir konnten ja durch die Presse lesen, daß die Familienumstände der Kabbins etwas, nun ja, sagen wir umstritten sind.“

„Mein Mann wird bald teilhabender Geschäftsführer bei >Korth Moden< sein.“

Matha schaut sie erschrocken an.

„Zudem möchte ich noch anmerken, daß alles was meine Mutter in der Zeitung erzählt hat nicht der Wahrheit entspricht.“ meldet sich Frank. „Meine Brüder und ich sind niemals gezwungen oder gar gekauft worden, sondern aus freien Stücken hier eingezogen. Leider ist meine Mutter sehr gekränkt und hat daher diesen etwas verletzenden Weg gewählt, ihrem Unmut Luft zu verschaffen.“

„Können sie ihr das verzeihen?“

Jörg und Frank schauen sich an. Dann antwortet Jörg: „Ja, das können wir und wenn sie sich entschuldigt, steht ihr die Tür selbstverständlich offen.“

Es folgt ein Blitzlichtgewitter der Pressefotografen.

Matha stürzt wutentbrannt ins Arbeitszimmer. Marion ist ihr gefolgt.

„Wie kannst du es wagen, mich so vorzuführen?“ bricht es aus Matha heraus.

„Es tut mir leid, aber du hast dich unmöglich verhalten. Ich musste irgendetwas tun.“

„Und da fällt dir nichts besseres ein als allen mitzuteilen, daß ich zur Designerin degradiert worden bin?“

„Das habe ich so doch gar nicht gesagt, Matha. Es tut mir leid, wenn du es so aufgefasst hast.Aber wieso musstest du dich auch so aufführen? Was ist in dich gefahren?“

„Ich sage doch nur die Wahrheit. Frank und Jörg sind kein von uns und das wird sich auch nicht ändern.“

„Bitte. Hör auf damit. Sie geben sich so viel Mühe und es läuft doch gut. Du hattest also keinen Grund...“

„Keinen Grund? Marion! Uns gehört die Firma: Mir und dir! Schlimm genug, daß ich aus der Führungsetage geworfen wurde... “

„Du weißt, wieso wir das tun mussten!“ unterbricht sie Marion.

„...aber Frank nun als Teil der Geschäftsführung vorzustellen...einfach lächerlich!“

„Es ist aber nun einmal so. Find dich damit ab. Und ich werde jetzt auch nicht weiter mit dir darüber diskutieren, denn ich muss die Gäste verabschieden, wenn du das schon nicht tust.“

Damit dreht Marion sich ab und verlässt das Büro, gefolgt von Mathas wütendem Blick.

Kurze Zeit später verlassen die letzten Gäste das Haus und Frank nimmt Marion in den Arm.

„Das hast du sehr gut gemacht.“

„Das wollte ich eigentlich gerade zu dir sagen.“ lächelt sie ihn an. „Es hat mich sehr angenehm überrascht, wie du den Abend gemeistert hast, obwohl du so viel Angst davor hattest.“

„Naja, ich habe ja auch ein Ziel vor Augen: Dich.“ grinst er und küsst sie. „Aber ehrlich gesagt, vor dem Ball morgen Abend habe ich etwas mehr Angst.“

„Wieso? Es werden viele der Leute da sein, die auch heute da gewesen sind.“

„Aber ich musste heute nicht tanzen.“

„Wo ist das Prob...oh, du kannst nicht tanzen?“

Frank ist etwas verlegen, während sie die Treppen hinauf gehen. „Ich habe heute mit Neds Hilfe mit einem Tanzkurs angefangen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das schon für morgen reichen wird.“

„Du bist so süß. Keine Bange. Das bekommen wir auch hin.“ Sie verliert etwas das Gleichgewicht, doch Frank kann sie stützen. „Es geht schon, danke. Siehst du? Ich werde auch nicht viel tanzen können und da brauch ich dich die ganze Zeit an meiner Seite. Da kommst du morgen also noch mal drum herum.“

„Mag sein, aber du wirst jetzt brav ins Bett gehen. Ich werde Hanna bitten, dir noch Tee hinauf zu bringen und dann ruhst du dich erst einmal aus.“

Nach dem Streit mit Marion ist Matha immer noch außer sich vor Wut. Sie läuft wie eine Wilde durch die Küche, als Hanna hereinkommt.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ja ja. Alles Bestens. Ich bin nur irgendwie aufgeregt wegen dem Ball morgen Abend.“

„Das kann ich verstehen. Ich bin auch sofort wieder weg. Ich wollte nur kurz Marion den Tee bringen.“

„Aber...Das kann ich doch machen.“

Matha steht vor der Kanne und schüttet unbemerkt eine ganze Menge des Fläschchens hinein.

„Nein, das ist schon in Ordnung.“ lächelt Hanna, nimmt Matha das Tablett mit dem Tee aus der Hand und verlässt die Küche.

Matha blickt ihr düster hinter her.

„Du hast es nicht anders gewollt...Schwester!“